Zur Ausstellung „aus dem Basislager“ imago Kunstverein Wedemark e.V., 23.8.-27.9.2009 Anne Prenzler, Hannover

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Ursula Krämer zeigt uns malerische Metamorphosen alltäglicher Gegenstände – in einer Weise, dass wir in ihnen das Bekannte suchen und dabei ständig Neues und Fremdes entdecken. Waschbeckenabflüsse, Sofakissen, Lampen, Kleider, Geschirr und andere Dinge des Alltags werden zunächst schon durch die Wahl des Ausschnitts, der Perspektive und der Position im Bild unserer alltäglichen Wahrnehmung entrückt, beginnen zu schweben, zu tanzen oder auch zu ruhen. Manches begegnet uns in starker Vergrößerung und wirkt dadurch berückend schön, monumental oder auch fragil. Die Dingwelt in der Malerei von Ursula Krämer zeigt uns Charaktereigenschaften der Gegenstände auf, die wir nicht für möglich gehalten hätten, die uns das Bekannte als etwas Fremdes, manchmal auch als etwas Unheimliches vorführen. Von ausschlaggebender Bedeutung ist dabei die Herauslösung des Gegenstandes aus seinem ursprünglichen Kontext sowie die malerische Konfrontation von Ding und Leere. Ursula Krämers Umgebungen der Gegenstände sind meist sehr ebene, ruhige, opake Flächen, häufig in eher gedeckten, matten Farben, die das Licht gänzlich schlucken – pure Malerei, die dem Gegenstand jeweils eine Leere, ein Nichts gegenüberstellen. Philosophisch und naturwissenschaftlich geht das Phänomen des Nichts über unsere Vorstellungskraft. Wenn es eine Möglichkeit der malerischen Darstellung gäbe – die Leere in den Bildern von Ursula Krämer kommt dieser Möglichkeit erstaunlich nahe.
Mit dieser Art der Malerei rekurriert Ursula Krämer auf eine abstrakte Malereitradition, die sich seit Beginn des 20. Jh. gänzlich von jedem Gegenstandbezug entfernen wollte und die physische Präsenz von Farbe und Leinwand zur neuen Wirklichkeit der Malerei erhob. Die Ikone dieser Malereirichtung ist das Schwarze Quadrat von Malewitsch, das jeglichen Bezugspunkt außerhalb seiner selbst negiert. Auf das Quadrat komme ich nicht zufällig, denn natürlich besitzen die Sofakissen der Serie „Parade“ zwar einen deutlichen Gegenstandsbezug, aber alleine die frontale Positionierung im Bild ist radikal. Sie lösen sich und werden zu abstrakten Farblandschaften, in denen das Aufeinandertreffen von Diffusem und Konkreten, von Helligkeit und Dunkelheit wichtiger wird, als eine naturgetreue Nähe zum Gegenstand. Und doch bleiben sie Gegenstand und treten uns als eigenständiges Ding entgegen. Und damit sind wir beim Kern der malerischen Metamorphosen der Bildwelten von Ursula Krämer. Die Fremdheit der Dinge und ihre berückende Eigenständigkeit resultieren nicht zuletzt aus dem Übergehen in abstrakte Malerei. Die meist eher unscheinbaren, alltäglichen Dinge werden in eine Malerei übersetzt, die sich immer wieder vom rein Figürlichen loslöst, in der sich abstrakte Farbspiele ergeben, in denen sich die Oberflächen der Dinge in Farblandschaften verwandeln, in denen Diffuses, Konkretes und Ornamenthaftes aufeinander treffen, wie in der Arbeit Ohne Titel. Der frei schwingende Troddel im Zentrum des Bildes tritt dem Betrachter als ein eigenständiges, zweckfreies Gegenüber entgegen. Diese Behauptung einer sich selbst genügenden, zweckfreien Existenz der Dinge ist charakteristisch für das Werk von Ursula Krämer. Nicht selten geht die Abstrahierung von der Wirklichkeit so weit, dass die Gegenstände jeweils zu in sich geschlossenen abstrakten Bildern werden, wie auch in der Arbeit „Warten auf Erleuchtung“, deren Thematik Ursula Krämer bereits seit vielen Jahren immer wieder aufnimmt. Hier treten uns kleine Lampen als eine tänzelnde Reihe jeweils in sich geschlossener, abstrakter Kompositionen gegenüber.
Damit haben wir es hier mit einer Malerei zu tun, die weit über das hinaus weist, was ein magischer Realismus oder die metaphysische Malerei den Gegenständen abverlangen, denn das Eigenleben der Dinge bei Ursula Krämer speist sich aus der Malerei selbst, aus spannungsvollen Gegensätzen und harmonischen Kompensationen und dem alles entscheidenden Gleichgewicht dieser Möglichkeiten sowie aus dem Gegensatz von Präsenz und Leere, wobei verwirrenderweise nicht nur die Dinge selbst, sondern auch die Leere eine hohe Präsenz besitzt.

Zur Ausstellung „aus dem Basislager“ imago Kunstverein Wedemark e.V., 23.8.-27.9.2009
Anne Prenzler, Hannover